PIN-Rücksetzdienst eingestellt

10.01.2024 - Lesezeit ca. 4 Minuten

Mit dem PIN-Rücksetzdienst des Bundesministeriums des Innern und für Heimat konnten Inhabende eines deutschen Personalausweises oder einer eID-Karte für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger einen sogenannten PIN-Rücksetzbrief bestellen. Mit diesem konnten Bürger*innen ihren Ausweis auch ohne PUK-Nummer entsperren, eine neue Ausweis-PIN vergeben und die Online-Ausweisfunktion (eID-Funktion) aktivieren.

Vollendete Tatsachen, viele offene Fragen: Der PIN-Rücksetzdienst wurde zum 29. Dezember 2023 ohne Vorankündigung eingestellt. Anfang Januar 2024 schreibt das BSI in einer E-Mail: „Aufgrund der reduzierten Haushaltsansätze wird der Dienst zum 29.12.2023 auf unbestimmte Zeit ausgesetzt“. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig, denn zum 1. Januar 2024 wurde das e-Rezept verpflichtend eingeführt, welches die Digitalisierung in der deutschen Gesundheitsbranche vorantreiben soll.

Einstellung des PIN-Rücksetzdienst bremst Digitalisierung

Doch nicht nur um die Apps Ihrer Krankenkasse zu nutzen oder ihre elektronische Patientenakte zu beantragen, ist die eID wichtig: Nutzer*innen können sich damit u. a. beim Abschluss eines Mobilfunkvertrags, der Beantragung eines Kredits, beim Online-Shopping oder bei der Eröffnung eines Kontos digital identifizieren. Ist hierfür die Ausweis-PIN nicht (mehr) bekannt, müssen Nutzende eine neue anfordern. Die Tatsache, dass der PIN-Rücksetzbrief digital beantragt werden konnte und nach Hause geliefert wurde, war für viele eine Möglichkeit, die eID-Funktion zu nutzen. Ohne den PIN-Rücksetzdienst bedeutet das für Bürger*innen jetzt wieder den obligatorischen (ganz und gar nicht digitalen) Gang zum Amt. Der eigestellte PIN-Rücksetzdienst ist dadurch auch ein Ausbremsen der Digitalisierung insgesamt.

PIN-Rücksetzdienst sparte Bürger*innen viel Zeit

Laut einer repräsentativen Befragung der Bitkom dauert der durchschnittliche Gang aufs Amt zwei Stunden und 21 Minuten. Inbegriffen in diese Zeit sind die An- und Abreise, die Wartezeit vor Ort und die Bearbeitung. Nicht eingerechnet ist die Zeit, um den Termin zu vereinbaren. Ein weiterer schwerwiegender Aspekt wird bei der Betrachtung der reinen Zeit nicht beleuchtet: Die Termine sind in der Regel ausschließlich in der Arbeitszeit möglich. Deshalb haben wahrscheinlich auch rund die Hälfte der Befragten (51 Prozent) Schwierigkeiten bei der Terminzuteilung, für 35 Prozent davon war die Terminfindung sogar sehr schwierig.

Keine Zeit für den Gang aufs Amt, keine Digitalisierung

Diese Zahlen zeigen auch im Hinblick auf den eingestellten PIN-Rücksetzdienst, dass verpflichtende Behördengänge die Digitalisierung bremsen. Denn wer keine rund zweieinhalb Stunden (zu den Öffnungszeiten des Amts) aufbringen kann, um seine Ausweis-PIN zurückzusetzen, der kann digitale Services, für die die Online-Ausweisfunktion (eID) benötigt wird, nicht nutzen.

Sicherheitsstandard der eID so hoch wie bei keinem anderen Verfahren

Dabei ist die eID als sicherste Identifizierungsmethode ein Schlüssel zu mehr Digitalisierung. Dass andere Verfahren nicht dieselben Sicherheitsstandards bieten können, haben zuletzt Organisationen/Behörden mit ihren Entscheidungen bekräftigt: Unter anderem verbot die Gematik, die Videoident-Verfahren für Krankenkassen im vergangenen Jahr. Die Bundesnetzagentur hatte die vorläufige Anerkennung des automatisierten Videoident-Verfahrens kürzlich erst nur um eine sechsmonatige Evaluierungsphase verlängert.

Hohes Bestellungsaufkommen des PIN-Rücksetzbriefs

Der PIN-Rücksetzdienst wurde rege genutzt: Laut BMI wurden seit Einführung des PIN-Rücksetzdienstes im Februar 2022 fast zwei Millionen Rücksetzbriefe bestellt. Die hohe Nutzung des PIN-Rücksetzdienstes lässt vermuten, dass genau dieser Punkt in der User Journey der eID-Nutzung in der Vergangenheit eine große Hürde darstellte. Leider beliefen sich die Gesamtkosten für das sichere Zustellverfahren bis Ende November 2023 auf über 27. Mio. Euro.

Mögliche Lösung: Kostenpflichtige Briefe statt ersatzloses Streichen des PIN-Rücksetzdiensts

Doch statt den Service kurzfristig und ersatzlos zu streichen, wäre es ggf. eine Möglichkeit gewesen, eine kostengünstigere Alternative zur Verfügung zu stellen oder die Bürger*innen die Kosten selbst tragen zu lassen . Denn es ist auch eine Tatsache, dass nur etwa 40 Prozent der bestellten Rücksetzbriefe verwendet wurden. Wer sich den Rücksetzbrief jedoch bestellt und dafür eine Gebühr bezahlt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dann auch die PIN (neu) setzen und den eID-Service nutzen. Und das sind immerhin rund eine Millionen Menschen für den Zeitraum von knapp zwei Jahren. Tendenz steigend! Denn mit Einführung von digitalen Diensten wie bspw. e-Rezept und elektronische Patientenakte werden auf einen Schlag alle volljährigen Bundesbürger angesprochen, die tendenziell die Identifizierung mittels eID nutzen möchten. Der Wegfall des Dienstes ist in Sachen Digitalisierung ein enormer Rückschritt.

Uns lässt die Entscheidung, genauso wie viele andere in der Branche ratlos zurück – digitale Dienste verpflichtend einführen und gleichzeitig die dafür notwendige digitale Identifizierungsmöglichkeit sabotieren, ist für uns nicht nachvollziehbar.

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