„Wir wollen mehr Klarheit im Netz“ – Interview mit Lisa-Marie Rösch zum Forschungsprojekt ID-Ideal (Teil 2)
08.09.2021 - Lesezeit ca. 6 Minuten
Was nutzt die schönste Lösung für eine sichere, digitale Identität, wenn die Bürger*innen sie nicht akzeptieren? Projektleiterin und Head of SDI Research Projects, Lisa-Marie Rösch, erzählt, mit welchen Expertisen sich AUTHADA in das Forschungsprojekt ID-Ideal einbringt – und warum dem Team Fragen der Usability und Nutzerakzeptanz ganz besonders am Herzen liegen.
Lisa, ein AUTHADA-Projektteam arbeitet seit Mai 2021 intensiv im Projekt ID-Ideal an der Zukunft der sicheren, digitalen Identität. Welche Kompetenzen bringt AUTHADA in das Konsortium ein?
Unser Team ist sehr breit aufgestellt. Wir übernehmen im ID-Ideal-Konsortium zum einen einen wichtigen technischen Part: Eine unserer Aufgaben ist es, den Personalausweis in die Wallets zu bringen. Wir entwickeln die Architektur der Lösung mit, schauen, wie sie technisch realisierbar ist und bringen verschiedene Komponenten ein. Zum anderen schauen wir uns verschiedene Use Cases an, entwickeln diese und analysieren, wie sich der Mehrwert für alle Akteure noch weiter erhöhen lässt. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt für uns ist die Usability und Akzeptanzforschung, die wir bei AUTHADA auch großschreiben. Wir wollen nicht im Elfenbeinturm eine Technologie entwickeln, die letztlich keinen Anklang findet – sondern ein digitales Ökosystem mit den zugehörigen Geschäftsmodellen. Holder, Issuer, Verifier, alle sollen mitmachen wollen. Dafür gilt es nicht nur die Lösung einfach nutzbar zu machen, sondern auch ein funktionierendes Anreizsystem zu schaffen.
Wieso liegt euch das Thema Usability so sehr am Herzen?
Ganz einfach: Weil die neue Lösung natürlich auch angenommen werden soll. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Eine gute Usability und ein Vertrauen in die Lösung sind dafür eine unbedingte Voraussetzung. Von den Bürgern und Bürgerinnen geht die gesamte Nachfrage aus, mit ihnen steht und fällt der Erfolg: Wenn sie die Lösung nicht nutzen, haben auch die Issuer und Verifier keinen Anreiz, sie zu verwenden.
Wie schafft man diese hohe Akzeptanz seitens der Bürger*innen? Ist es tatsächlich vor allem die Usability oder gibt es noch andere Wege?
Hier gibt es verschiedene Aspekte. Zum einen haben wir natürlich die Usability und hinsichtlich dessen viel Kompetenz im Konsortium. Wir schauen uns anhand verschiedener Best Practices ganz genau an, was in Sachen Usability gut funktioniert. Daraus können wir viel lernen. Es gibt auch ein ID-Ideal-Reallabor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW), wo wir vor Ort Usability-Tests durchführen können. Wir legen großen Wert auf den User Research und wollen frühzeitig erkennen, wo es Hürden in der Nutzung der Lösung geben und wo es haken könnte.
Was ist euch dabei wichtig?
Die Lösung, die wir jetzt erschaffen, soll auf jeder Ebene diskriminierungsfrei werden. Jeder soll sie nutzen können. Das ist kein einfaches Vorhaben: Aktuell sind wir dabei, sämtliche Aspekte dieser Diskriminierungsfreiheit zu erfassen. Barrierefreiheit, Textgröße und -darstellung und einfache Sprache sind hier klassische Stichpunkte. Aber auch ganz andere Themen fließen dort hinein: Beispielsweise haben wir bei AUTHADA aktuell eine Animation in unserer App, die ganz genau zeigt, wie man seinen Ausweis richtig ans Handy hält, um ihn auslesen zu lassen. Das ist eine typische, kleine Hürde: Nicht jeder hat bereits das NFC-Feld seines Smartphones genutzt und weiß sofort, wie der Ausweis davorgehalten werden muss. Am Ende fassen wir all unsere Erkenntnisse in einem Usability-Leitfaden zusammen und stellen ihn als Handlungsleitfaden öffentlich zur Verfügung.
Über ID-Ideal
Ein sicheres Management digitaler Identitäten, das den Menschen eine selbstsouveräne Datenhoheit ermöglicht: Das ist das Ziel des Forschungsprojekts ID-Ideal. Organisationen aus der öffentlichen Hand, der privaten Wirtschaft sowie aus Forschung und Entwicklung bündeln aktiv ihre jeweiligen Kompetenzen in dem Projekt, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird.
Was sind weitere Details, mit denen ihr euch beschäftigt?
Wir befassen uns intensiv mit dem Aspekt der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Neben unserem täglichen Doing im Projekt gilt es, Aufklärungsarbeit zu leisten – und das für die gesamte Bevölkerung. Hierzu planen wir umfangreiche Maßnahmen: Schließlich entwickeln wir keine Lösung für uns selbst, sondern für unsere Mitbürger*innen. Deshalb müssen wir verstehen, was die Menschen beschäftigt, Unklarheiten und Sorgen ernst nehmen und auflösen sowie Bedürfnisse berücksichtigen. In engem Kontakt mit den Bürgern und Bürgerinnen zu stehen und sie von Anfang an eng miteinzubeziehen, ist entscheidend, um das Vertrauen in unsere Lösung aufbauen zu können und Akzeptanz zu erreichen. Wir wollen das Leben der Leute vereinfachen und ihnen ihre Hoheit über die eigenen Daten zurückgeben – und sie nicht von neuen technologischen Möglichkeiten abschrecken.
Das Projekt endet im Mai 2024. Was möchtet ihr dann erreicht haben?
Unsere Vision und Mission ist es, ein Trustnet-Framework zu schaffen – eine technische Basis, auf der alle Akteure einander vertrauen können. Jeder hat wahrscheinlich schon einmal vom Darknet gehört, das Kriminelle häufig als Plattform für illegale Aktivitäten nutzen. Dem gegenüber steht das Clearnet – als Internet, in dem jeder von uns unterwegs ist, die meiste Zeit allerdings anonym oder als Pseudonym. Dort sind aktuell enorme Massen an Informationen unterwegs und niemand weiß, was davon wirklich stimmt. Das Trustnet ist der Gegenentwurf dazu: Alle Akteure, alle Informationen, sollen verifizierbar sein. Wir wollen mehr Klarheit im Netz. Dieses Trustnet mit seinen klar identifizierten Akteuren und verlässlichen Informationen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, viele verschiedene Prozesse sicher zu digitalisieren. Mit unserem digitalen Ökosystem wollen wir außerdem dafür sorgen, dass man künftig nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit persönlich vorstellig werden muss, beispielsweise bei Behördengängen: Das Auto ummelden, ein Führungszeugnis erhalten – in diese Vorgänge lässt sich viel mehr Effizienz durch Digitalisierung bringen.
Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Erfolgsfaktoren auf dem Weg dorthin?
Zum einen müssen wir eine Interoperabilität erreichen: Aktuell gibt es viel zu viele unterschiedliche Standards. Es gilt im ersten Schritt eine gemeinsame Ebene zu definieren, wenn wir wollen, dass sich jeder an unser Ökosystem anbinden kann. Dafür müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen. Auch Unternehmen, die im Wettbewerb stehen. Eine Lösung für alle kann nicht einer alleine schaffen: Wir müssen jetzt unsere Expertisen zusammentragen und gemeinsam das Beste erschaffen. Zum anderen halte ich es für besonders wichtig, unsere Arbeit und die Lösung in die breite Masse zu bringen. Eine Technologie kann noch so gut sein: Wenn die Akteure den Nutzen nicht verstehen, wenn sie Ängste und Bedenken haben, wird sie niemand nutzen wollen. Deshalb sind auch die Öffentlichkeitsarbeit und der Transfer entscheidende Punkte für den Erfolg.
Das Interview führte Ruth Wölfinger.
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